23.02.2012

au!80 - ha ha ha Passementerie

"...Wir wissen heute auch, woher die Ästhetik und Geschichtsauffassung der deutschen Klassiker ihren Ursprung genommen hat: aus Lehre und Vorbild der Generation, die ihnen vorherhing, einer Generation  von physisch und seelisch unterernährten Magistern, verkümmerten Bücherwürmern und schiefgewachsenen Kunstpedanten, aus der staubigen Enge der Bibliotheken und Schreibstuben, der lichtarmen Sticklift der kleinen Provinzgassen, der Lebensschwere der verwinkelten und verkräuselten Miniaturwelt der deutschen Barocke. [...] In ihrer Alterswurmstichigkeit, ihrem Geruch von Holzpflaster und Tranlampe, ihrer Anämie aus eiweißarmer Kost und ihrem rührend-skurrilen Bemühen, sich durch steifen Wissensprunk, prätentiös aufgehäufte Eigennamen und Büchertitel Tiefgang und Gravität zu geben. Überall kommt, trotz dem Willen zur Schmucklosigkeit und dem Lob der klassischen Simplizität, das Ornament, die Passementerie hervor. Und was verstand man denn überhaupt unter der vielgerühmten und als leuchtendes Vorbild promulgierten 'Einfachheit der Alten'? Nichts anderes als die notgedrungene geistige und körperliche Bedürfnislosigkeit des deutschen Hauslehrers, Prorektors und Reisebegleiters!..."
(E. Friedell: Aufklärung und Revolution - Kulturgeschichte der Neuzeit)